„Und wie funktioniert das mit der Nabelschnur?“
Das Durchtrennen der Nabelschnur wird von Menschen oft als abstrakte Herausforderung angesehen. Wenn es dir auch so geht – mach dir nichts draus, du bist nicht allein!
Tatsächlich ist das Durchschneiden, Durchbrennen oder Durchbeißen der Nabelschnur kein Hexenwerk und sogar kleine Kinder können diese Aufagbe bewältigen.
Meine pratischen und theoretischen Ausführungen dazu findest du in diesem Artikel UND in dem Video Nabelschnur durchbeißen oder -brennen? Wie die Nabelschnur durchtrennen nach Alleingeburt?
Was passiert nach der Geburt des Babys?
Direkt nach der Geburt ist es erstmal am Wichtigsten, dass Mama und Baby möglichst Haut an Haut kuscheln und sich kennen lernen. Das ist die sogenannte „Golden Hour“ in der ausschließlich bei Unwohlsein von Mutter oder Baby irgendwelche Interventionen geschehen sollten. Sie lernen sich kennen, riechen, schmecken, fühlen sich gegenseitig. Die Nabelschnur und die Nachgeburt, die Plazenta sind im Moment noch nicht wichtig, solange es der frischen Mama und ihrem Baby gut geht.
Mit dem Gebären der Plazenta und dem Durchtrennen der Nabelschnur kann man sich ruhig 2 Stunden Zeit lassen, es ist hier im Normalfall keine Eile geboten.
Warum Warten mit dem Durchtrennen der Nabelschnur?
Zum Zeitpunkt der Geburt enthält die Plazenta noch einen Großteil des Kindlichen Blutes. Wenn sofort abgenabelt wird, stehlen wir dem Baby etwa 30% seines Blutes! Mehr Infos dazu. (In dem Artikel wird spätes Abnabeln nach 3-5 Min gemacht… Man muss eigentlich gar nicht abnabeln s. Lotusgeburt).
Der italienische Neonatologe Massimo Alosi konnte beobachten, dass die Plazenta noch 24 Stunden NACH der Geburt mit dem Baby kommuniziert, wenn die Nabelschnur nicht durchtrennt wird. Obwohl zu der Zeit schon alle Nabelschnurgefäße (Adern) kollabiert und nicht mehr durchgängig für Blut sind.
Das bedeutet natürlich nicht, dass nun alle eine Lotusgeburt anstreben sollten, aber es darf gern das Bewusstsein steigern für das sehr entspannte und nicht übereilte Abnabeln.
Was ist zu beachten VOR dem Durchtrennen der Nabelschnur?
Vor dem Durchtrennen der Nabelschnur darf als erstes beobachtet werden, ob die Nabelschnur schon auspulsiert ist. Dafür kann man sie vorsichtig in die Hand nehmen und fühlen, ob sie noch einen Puls hat. Auch wird die Nabelschnur immer blasser und irgendwann fast weiß. Im britischen Raum gibt es eine Organisation, die sich „Wait For White“ nennt, die genau für dieses vollständige Auspulsieren plädieren.
Sinnvoll ist es vor allem auch möglichst erst die Plazenta zu gebären, da das Baby über die Nabelschnur noch mit der Plazenta kommuniziert und ihr auch Signale gibt sich zu lösen.
In einigen Fällen, wenn die Nabelschnur zum Beispiel sehr kurz ist, sodass die Mutter das Baby z. B. nicht an die Brust nehmen kann, oder vielleicht noch ein zweiter Zwilling geboren werden will, kann es auch sinnvoll sein die Nabelschnur vor der Plazentageburt zu durchtrennen oder auch bereits nach 10 Min (oder wie lange auch immer die Situation es gerade erfordert) schon vor abschließendem Auspulsieren die Nabelschnur zu durchtrennen. Für solche Situationen kann es sinnvoll sein eine Geburtsbegleiterin wie z. B. eine freie Hebamme vor Ort zu haben oder anrufen zu können.
Im Normalfall ist die Plazenta nun also geboren und die Nabelschnur sichtlich auspulisert. Mama und Baby haben ausreichend in Ruhe kuscheln können und vielleicht auch schon gestillt. DANN ist es Zeit sich zu überlegen an welcher Stelle die Nabelschnur durchtrennt werden soll und ob sie vorher abgeklemmt oder abgebunden werden will.
Nabelschnur abklemmen oder abbinden?
Wenn die Nabelschnur vollständig auspulsiert ist (i. d. R. frühestens nach 30 Minuten… aber man achte auch auf die „Golden Hour“), gibt es eigentlich kein Notwendigkeit die Nabelschnur durch klemmen oder binden zu verschließen. Die Gefäße (Adern) sind kollabiert und vielleicht sogar schon verklebt, da können keine Keime mehr aufsteigen. Zur Sicherheit habe ich immer 10 cm Nabelschnur am Baby dran gelassen. Es können beim Durchschneiden noch ein paar Tropfen Blut austreten, das ist aber nicht gefährlich. Man sollte es nur im Hinterkopf behalten und nicht über dem Lieblings-T-Shirt schneiden. Dieses Nabelschnurende trocknet sehr schnell ein und ist normalerweise spätestens nach 4 Tagen abgefallen.
Wenn man die Nabelschnur von Anfang an etwas kürzer abschneiden will, dann ist abbinden oder abklemmen das Mittel der Wahl.
Eine Nabelklemme kann sich jeder im Internet bestellen.
Schöner finde ich persönlich das Abbinden, da dann kein hartes Plastikteil am Kind dran ist.
Zum Abbinden kann man jeden Faden nehmen. Sehr gut geht Zahnseide, da sie keine Feuchtigkeit aufnimmt und nicht sabschig werden kann. Hier am besten Zahnseide ohne Geschmack nehmen und für die Menschen, die Plastik vermeiden wollen gibt es öko Zahnseide aus echter Seide mit Bienenwachs (Tipp von Hebamme Nina Rinkes).
Methoden zum Durchtrennen der Nabelschnur
Dies ist mit Sicherheit keine abschließende Liste der Möglichkeiten, gibt aber einen ausreichenden Überblick:
- Durchschneiden mit Schere, Messer oder anderem scharfen Gegenstand
- Durchbrennen z.B. mit einer Kerze
- Durchbeißen
- dran lassen (auch Lotusgeburt genannt)
Nabelschnur durchschneiden
Die Nabelschnur kann eigentlich jeder durchschneiden, der mindestens eine gesunde Hand hat.
Am besten dafür geeignet ist eine scharfe Schere.
Die Nabelschnur unseres Sohnes hat unsere Tochter, die zu dem Zeitpunkt noch nicht 4 Jahre alt war durchgeschnitten. Mit ihrer gewöhnlichen 2€ Bastelschere.
Auch Messer, am besten scharf und/oder mit Riffeln, da die Nabelschnur schon etwas zäh ist – vielleicht vergleichbar mit einem sehnigen Stück Räucherschinken. Sie sollte ja auch ein Dreivierteljahr stabil, dabei elastisch und uneindrückbar sein.
Inspirierende Gedanken zum Durchschneiden der Nabelschnur
„Dass in vielen Kulturen dafür [für das Abnabeln] kein Metallmesser benutzt werden darf, weil sonst das Kind erkrankt, mag auf die Verwendung von Metall zur Herstellung von Waffen zurückzuführen sein. Aber auch unter hygienischen Gesichtspunkten ist ein frisches Bambusstück, wie man es bei den Yoruba in Nigeria benutzt, oder ein Stück Maispflanzenstiel, wie bei den Wasafwa in Tansania, viel ungefährlicher als schlecht gesäuberte Messer […]“(Czabaun, C., „Die verlorene Hälfte des Menschen“ Schad, W. (Hsg.), Verlag Freies Geistleben, S. 97 Z. 6-12, 2005)
Diesen Aspekt finde ich sehr interessant. Czabaun schreibt auch von der gewaltsamen Trennung von etwas was lang zusammengehörte. Dass diese Gewalt durch ein Metallmesser energetisch noch unterstrichen wird, resoniert mit mir.
Eine Klinge aus einem anderen Material sollte man sich in einem durchschnittlichen mitteleuropäischen Haushalt aus praktischen Gründen bereits vor der Geburt besorgen und zurechtlegen.
Was ich auch sehr schön fand war die Idee, die ich bei einer Alleingeburtsfrau in einem Youtubevideo gesehen habe (wenn du weißt wer es ist, will ich es hier gern verlinken): Sie hat für jedes Kind ein eigenes Taschenmesser gekauft, um damit die Nabelschnur zu durchtrennen. Hinterher wurde der Name des Kindes in das Messer graviert. Eine schöne Erinnerung und potentielles Familienerbstück.
Nabelschnur durchbrennen
Das Durchbrennen der Nabelschnur kann zu einem feierlichen Lösungsritual gemacht werden, denn es braucht sehr viel mehr Zeit als das Durchschneiden oder -beißen.
Hierfür kann man eine oder mehrere Kerzen nutzen, die möglichst an einer ausgewählten Stelle die Nabelschnur durchtrennen sollen.
Auf jeden Fall auf eine Unterlage achten, die Kerzenwachs und evtl. Feuer verkraftet!
Da hier menschliches Material verbrannt wird ist der Geruch dementsprechend: nach verbranntem Fleisch.
Und über Keime braucht man sich bei dieser Methode keine Gedanken zu machen, da man so das Ende der Nabelschnur verbrennt und undurchlässig macht und im selben Zuge sterilisiert.
Nabelschnur durchbeißen
Es gibt Frauen, die sich dazu entscheiden die Nabelschnur ihres Kindes durchzubeißen.
Ich persönlich habe von dieser Methode bisher nur gelesen und stelle mir vor, dass es etwa so schwierig ist wie ein sehniges Stück Räucherschinken durchzubeißen. Es geht, ist aber etwas mühsam.
Mir erscheint beim Durchbeißen als erstes die Tieranalogie. Tatsächlich ist es bei den meisten mir bekannten Tierarten, von denen ich Geburten vor Ort oder im Film beobachtet habe so, dass die Nabelschnur durchreißt. Entweder bei der Geburt selbst oder wenn das Neugeborene sich auf den Weg zur Mutterbrust (Euter, Zitze, …) macht. Falls das nicht so ganz klappt kann es sein, dass die Mutter nachhilft; vielleicht in Kombination damit, dass sie die Nachgeburt (Plazenta) auffrisst.
Falls die Gebärende also annimmt, dass Menschen von Tieren abstammen, so scheint das Durchbeißen der Nabelschnur eine der ursprünglichsten Methoden zu sein.
Lotusgeburt
Hier wird die Nabelschnur nicht durchschnitten, sondern so lange am Kind gelassen, bis die Nabelschnur sich vom Nabel löst. Das geht in der Regel auch viel schneller als bei der „herkömmlichen Methode“ des nicht auspulsieren lassens und abklemmens.
Nach der Geburt der Plazenta wird bei der Lotusgeburt also NICHT die Nabelschnur durchschnitten. Es gibt den Brauch die Plazenta zu Salzen und mit duftenden Kräutern zu panieren und sie so in der Trocknung zu unterstützen.
Die Plazenta kann dann entweder bis zum Abfallen neben dem Bett gelagert werden (gut für die Einhaltung der Wochenbettruhe) oder manche Frauen nähen sich eine Plazentatasche, mit der sie die Plazenta herumtragen können, wenn sie ihr Baby woanders hin bewegen wollen.
Schwierig ist hierbei nach 1-2 Tagen nur, dass die Nabelschnur sehr hart und steif wird.
Ich persönlich hatte mir beim ersten Kind eine Lotusgeburt offen gelassen, aber schon nach etwa 2 Stunden entschieden, dass es mir zu unpraktisch ist und die Nabelschnur durchgeschnitten.
Genaue „Rezepte und Anleitungen“ für das Haltbarmachen der Plazenta haben andere Frauen bereits online zur Verfügung gestellt, die es auch selbst so praktiziert haben.
Meine Erfahrungen zum Durchtrennen der Nabelschnur
Meine eigenen Kinder haben beide nach ca. 1,5 bis 2 Stunden nach der Geburt die Nabelschnur mit Gemüsemesser bzw Bastelschere durchgeschnitten bekommen.
Soweit ich mich erinnere haben alle Frauen, die ich persönlich vor Ort, virtuell oder als Backup bei der Geburt begleitet habe die Methode „Durchschneiden mit Schere“ gewählt.
Egal für welche Methode zum Durchtrennen der Nabelschnur man sich entscheidet: Das Baby hat einen „Überschuss“ in irgendeiner Form am Bauch hängen. Wenn man in den ersten Tagen nach der Geburt Haut an Haut mit dem Baby kuscheln will (was sehr wahrscheinlich und förderlich für die Milchbildung und Bindung ist), dann empfiehlt es sich eine Bauchbinde um den Nabel und evtl. Nabelschnurende zu binden, damit das nicht hin und her wackeln oder an der Mutterhaut kleben bleiben kann. Das kann nämlich sehr unangenehm für das Baby sein. Eine Bauchbinde kann z. B. aus einer einfach Mullbinde oder einem Baumwolltuch oder selbst genäht erstellt werden.
Im Großen und Ganzen ist hoffentlich deutlich geworden, dass das Durchtrennen der Nabelschnur keine hohe Kunst ist und jeder das mit etwas Sinn und Verstand gut selbst machen kann.
Welche Methode willst du bei der nächsten Geburt ausprobieren?
Mit welcher Methode bist du bisher sehr gut gefahren?